Interessiert sich heute noch jemand für den Sinn des Lebens? Wohl kaum – leider!
Für viele Menschen scheint ihr Leben die meiste Zeit ganz in Ordnung zu sein. Solange sie im Hamsterrad des Lebens laufen, haben sie auch keine Gelegenheit, sich mit sich selbst auseinandersetzen. Im Gegenteil: Je schneller sie dem äußeren Erfolg hinterherlaufen und damit beschäftigt sind, andere Menschen davon zu beeindrucken, was sie alles erreicht haben – umso weiter entfernen sie sich von sich selbst.
Viel zu selten kommt bei uns Menschen überhaupt noch die Frage auf, ob das wirklich alles im Leben ist, ob es das schon war – oder ob da noch etwas kommt. Es ist die Frage nach dem Sinn unseres Lebens, dem „Wozu bin ich hier?“
Einer der tiefsinnigsten Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Lebens stammt von dem griechischen Philosophen Aristoteles. Für ihn ist das Erstreben des „Glücks“ (eudaimonia, griech.) das Ziel unseres Handelns. Aber nicht jedes Streben nach dem „Glück“ kann man als den Sinn des Lebens bezeichnen. Was bedeutet das genau? In Anlehnung an Aristoteles lassen sich drei verschiedene Formen des „Glücks“ unterscheiden:
Die erste Form des Glücks beinhaltet ein Leben der Lust und des Vergnügens. Wer nach diesem Glück strebt, will Unterhaltung, Entertainment, Spaß und Zerstreuung. Das sind Menschen, die eine „bucket list“ von all dem machen, was sie in ihrem Leben noch anschauen oder erleben wollen. Das Leben ist letztlich nicht mehr und nicht weniger als die Summe der möglichst angenehmen Erlebnisse. Aristoteles war klug genug zu wissen, dass wir alle hin und wieder diese Erlebnisse brauchen, weil wir emotionale Wesen sind. Er macht aber auch darauf aufmerksam, dass leider die meisten Menschen nur diese Form des Glücks kennen und niemals das verwirklichen, was in ihnen steckt.
Bei der zweiten Form des Glücks geht es darum, äußere Güter anzustreben. Das können einerseits alle möglichen Symbole des „Ich habe es geschafft“ sein: ein toller Titel auf der Visitenkarte, der nächste Karrieresprung, das Erscheinen im Fernsehen, Radio oder auf youtube. Auf der anderen Seite gehört der ganze materielle Schnickschnack dazu, den man sich für Geld leisten kann: der neue Porsche vor der Garage, die teure Nobeluhr, das neueste iPhone, die Yacht im Hafen usw.
Zusammengefasst geht es bei der zweiten Form des Glücks meistens darum, irgendwelche Titel oder Dinge zu besitzen, um anderen Menschen zu imponieren, die man oft nicht mal leiden kann.
Bei der dritten Form des Glücks geht es nicht um das Erstreben irgendwelcher Güter oder kurzfristiger Lustgefühle, sondern um die Verwirklichung dessen, was in uns steckt. Es ist ein Leben, das wir um seiner selbst willen leben. Es hat mit dem zu tun, was man als unsere Berufung nennen könnte.
Bei den ersten beiden Formen des Glücks erstreben wir etwas nicht um seiner selbst willen. Im Gegenteil: es sind alles nur Mittel zum Zweck. Das berauschende Fest, das Extraglas Alkohol, der teure Wellnessurlaub: ich will mich für ein paar Momente „high“ fühlen. Der nächste Karriereschritt oder die teure Designerwohnung: ich will zeigen, dass ich besser bin als andere.
Bei der dritten Form des Lebens geht es darum, die in uns angelegten Talente und Fähigkeiten zu entfalten und da einzusetzen, wo es auch für andere nützlich ist. Mit den Worten von Aristoteles: „Wo deine Talente und die Bedürfnisse der Welt sich kreuzen, da liegt deine Berufung.“ Dann kann man von einem sinnvollen bzw. einem geglückten Leben sprechen.
Indem Sie die zwei Seiten einer Medaille zusammenbringen: auf der einen Seite die Frage nach Ihren Stärken, auf der anderen Seite die Frage danach, welche Stärken Sie der Welt anbieten können, also wie Sie die Welt durch Ihren persönlichen Beitrag vielleicht ein wenig besser machen können.
Verschiedene Fragen zu Ihren Stärken
Verschiedene Fragen zu Ihrer Berufung
Im Idealfall entspricht dem Sinn des Lebens unsere Lebensaufgabe. Wer das gefunden hat, spürt, dass er in seinem Element ist. Im besten Fall entspricht es dem gegenwärtigen Beruf bzw. der gegenwärtigen Tätigkeit. Bei vielen Menschen sieht der berufliche Alltag jedoch ganz anders aus. Die Zunahme von Stress, das Gefühl, in einem „Hamsterrad“ zu stecken und die damit verbundenen psychischen und physischen Beschwerden in der Arbeitswelt sind ein Hinweis dafür, dass viele Menschen einen Beruf ausüben oder in einem Umfeld arbeiten, der ihrer Lebensaufgabe oder auch ihren Werten nicht entspricht.
Eine Lebensaufgabe muss übrigens nichts Grandioses sein. Es ist grandios genug, wenn es eben genau Ihre Aufgabe ist, die zu Ihren Stärken passt. Seine Lebensaufgabe kann man überall finden. Es geht nicht darum, dass z.B. freiberuflich besser ist als angestellt. Manchmal entdeckt man sie in einem Hobby, einem Ehrenamt oder einer Nebentätigkeit. Eines ist nach Aristoteles aber gewiss: Jeder Mensch hat eine Aufgabe. Und sobald wir beginnen, uns gedanklich damit zu beschäftigen, werden wir früher oder später dorthin geführt.
Seiner Lebensaufgabe zu folgen dauert ein ganzes Leben an.
Seiner Lebensaufgabe nicht zu folgen übrigens auch.